Die Zahl der ambulanten Kuren ist in den vergangenen drei Jahrzehnten dramatisch von über 800.000 auf etwa 41.000 pro Jahr gesunken (Quelle: KVWL). Immer weniger Versicherte wissen, dass sie ein Anrecht auf diese spezielle Kur in einem Kurort oder Heilbad haben und Krankenkassen die Kosten weitestgehend bezuschussen können. Auch Ärzten ist die Kur kaum bekannt. Was die Gesundheit präventiv erhalten oder Krankheiten unterstützend behandeln soll, scheint in der öffentlichen Wahrnehmung zu verschwinden. Dies will der Heilbäderverband Baden-Württemberg jetzt mit einer breiten Aufklärungskampagne ändern – und so auch die Kurorte und Heilbäder als Wirtschafts- und Tourismusfaktoren stärken.
Eigentlich könnte alles so einfach sein: Um die Gesundheit vorbeugend zu erhalten oder eine Krankheit unterstützend therapieren zu lassen, beantragt der Hausarzt mit seinem Patienten eine sogenannte ambulante Kur, auch ambulante Vorsorgeleistung genannt. Diese findet in einem der über 350 staatlich anerkannten Kurorte und Heilbäder in Deutschland statt. Die Krankenkasse genehmigt den Antrag und übernimmt die Ausgaben für den Kurarzt sowie 90 Prozent der Heilmittelkosten. Zudem gewährt sie einen Zuschuss von bis zu 16 Euro pro Tag für Unterkunft und Verpflegung. Der Patient reicht Urlaub bei seinem Arbeitgeber ein, und schon kann es losgehen. Soweit die Theorie.
Breit angelegte Aufklärungskampagne
Die Praxis sieht jedoch anders aus: Immer weniger ambulante Vorsorgeleistungen werden beantragt oder genehmigt. Im Jahr 1988 lag die Zahl der Bewilligungen bundesweit bei über 800.000, im Jahr 2016 bei knapp über 41.000 (Quelle: KVWL). „Hier müssen wir handeln. Deshalb starten wir eine breit angelegte Aufklärungskampagne in Baden-Württemberg. Jeder Krankenversicherte hat das Recht auf eine ambulante Kur“, sagt Fritz Link, Präsident des Heilbäderverbandes Baden-Württemberg. Mit verschiedenen Informationsflyern und einem Online-Erklärfilm zeigt der Heilbäderverband, was sich hinter ambulanten Vorsorgeleistungen verbirgt. Zudem bildet das Thema im Verbandsmagazin „Gesundheit“ einen Schwerpunkt. Das Magazin erhalten unter anderem Landtags- und Bundestagsabgeordnete. „Politische Lobbyarbeit ist äußerst wichtig, wenn es um diese Vorsorgeleistungen geht“, betont Link. Bisher liegt es in der Hand der Krankenkassen, ob sie die Anträge auf eine ambulante Kur genehmigen und die Kur bezuschussen (§ 23 Absatz 2 SGB V). Der Heilbäderverband fordert, aus dieser Kann- eine Ist-Leistung zu machen. Das geht nur mit Unterstützung der Landes- und Bundespolitik.
Kampagne ist dringend benötigter Weckruf
Wie medizinisch wertvoll solche Kuren sind, weiß Badearzt Dr. Harro Böckmann aus Bad Krozingen. „Fernab des Wohnortes können Patienten einfach viel besser abschalten. Sie lassen die Alltagsprobleme hinter sich“, erklärt er einen der entscheidenden Vorteile. Dadurch steige der Gesundheitseffekt enorm. Bei Hausärzten sind ambulante Vorsorgeleistungen jedoch kaum bekannt. Im Medizinstudium fehlen sie schlichtweg auf dem Lehrplan. Die Kampagne des Heilbäderverbandes sei laut Dr. Böckmann ein dringend benötigter Weckruf.
Dieser Weckruf soll auch bei den Krankenkassen ankommen. „Ihnen muss klar werden, dass sie ebenfalls Vorteile von den ambulanten Kuren haben“, plädiert Fritz Link. Der AOK Baden-Württemberg sind die Vorteile bereits bewusst. „Mit den Vorsorgemaßnahmen leisten wir einen Beitrag zur Gesunderhaltung unserer Versicherten. Das trägt auch insgesamt zu einer gesünderen Gesellschaft bei“, ist sich Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, sicher.
Für den Heilbäderverband steht Fritz Link zufolge fest: Nur durch Partner wie die AOK und mit Rückendeckung von Politik, Hausärzten und Patienten können ambulante Vorsorgeleistungen wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken. Und so auch die staatlich anerkannten Kurorte und Heilbäder mit ihren ortstypischen Heilmitteln als wichtige Wirtschafts- und Tourismusfaktoren stärken.
Weitere Informationen sowie den Flyer und Erklärfilm zur Aufklärungskampagne gibt es unter www.heilbaeder-bw.de
Der Weg zur ambulanten Kur
- Hausarzt bescheinigt, dass eine ambulante Kur medizinisch notwendig ist. Er unterstützt den Patienten beim Ausfüllen des Antrags, der über das Formblatt 23 (Anregung einer ambulanten Vorsorgeleistung in anerkannten Kurorten gem. § 23 Abs. 2 SGB V), gestellt wird. Zudem unterstützt der Arzt bei der Auswahl des Kurortes.
- Antrag wird bei der Krankenkasse eingereicht.
- Antragsprüfung durch die Krankenkasse.
Bei Ablehnung: Rücksprache mit dem Arzt halten und unter Beifügung ergänzender Erläuterungen/Berichte ggf. Widerspruch einlegen.
- Nach Antragsgenehmigung folgt ein schriftlicher Bescheid und eine Bescheinigung für die Kostenübernahme.
Über den Heilbäderverband Baden-Württemberg:
Die Heilbäder und Kurorte Baden-Württembergs sind mit fast 12,5 Mio. Übernachtungen im Jahr 2016 ein starker Wirtschaftsfaktor. Sie erwirtschaften jährlich einen Bruttoumsatz von rund 3,05 Milliarden Euro. Für die 56 höherprädikatisierten Heilbäder und Kurorte im Land ergibt sich ein theoretisches Beschäftigungsäquivalent von rund 58.000 Personen, die durch den Tourismus ein durchschnittliches Primäreinkommen von
26.650 Euro pro Kopf beziehen. www.heilbaeder-bw.de